von Johannes Schürmann
Viele kleine Verbesserungen bewirken etwas.
Aus diesem Grund wollen wir hier Ideen aufzeigen, wie auch mit einfachen Maßnahmen Veränderungen erzielt werden können. Wir möchten Vorschläge liefern, die Du Dir in Deiner eigenen Umgebung vorstellen kannst und einfach als Basis für BA- Anträge (Bezirksausschuss) nutzen kannst.
Wer Interesse an Veränderung in der Stadt hat stößt schnell auf Ideen, die sehr viel kosten und lange dauern. Der ÖPNV soll möglichst kostendeckend sein, neue U-Bahnen, Brücken und Umgehungsstraßen kosten viel Geld. Je Komplexer die Veränderung, desto mehr Akteure sind involviert, was die Abstimmung und Realisierung erschwert.
Conversational Cycling – „Kommunikatives Radeln“
Fahrradwege breit genug machen, dass 2 Personen nebeneinander fahren können und man trotzdem überholen kann.
Die Idee wird (wo sonst) zunächst in Kopenhagen realisiert. Der Hintergrund ist, dass man sich im Auto oder im ÖPNV gemeinsam unterhalten kann, jedoch auf dem Fahrradweg hintereinander her fahren muss, damit man überholt werden kann. Da dies Fahrradfahrer benachteiligt, die gerne die Wege zur Kommunikation mit Freunden, Familie oder Kollegen nutzen wollen, baut Kopenhagen bereits das Fahrradnetz aus, um hier allen Verkehrsteilnehmern den selben Komfort zu bieten.
Quelle: http://www.copenhagenize.com/2010/01/copenhagens-conversation-lanes.html
Quelle: http://www.eltis.org/sites/default/files/case-studies/documents/copenhagens_cycling_strategy.pdf
Die blau markierten Wege müssen noch für Conversational Cycling ausgebaut werden. Das Ziel ist es 80% des Fahrradwegnetzes so auszubauen.
Wir suchen noch nach dem passenden deutschen Begriff, vielleicht “Gesprächs-Radfahren” oder “Kommunikatives Radeln”. Überall wo Du einen Radweg anstelle einer Kfz-Fahrbahn fordern kannst, z.B. auf vielen 4-spurigen Straßen, können mindestens 3 Meter breite Fahrspuren in ausreichend breite Radwege umgewidmet werden.
Vorgezogene Haltelinie des Radfahrstreifen
Diese Maßnahme erhöht die Sicherheit von rechts abbiegenden Radfahrern, da sie besser von Autofahrern, die ebenfalls rechts abbiegen gesehen werden und nicht sofort im toten Winkel verschwinden.
Quelle: Dirk Schmidt, https://qimby.net/image/503/vorgezogene-haltelinie-auf-radfahrstreifen-in-der-bismarckstrasse-in-mannheim-2017
ARAS – Aufgeweitete Radaufstellstreifen
An allen Ampeln, an denen Fahrrad- und Autofahrer abbiegen, besteht eine erhöhtes Risiko, dass Radfahrer übersehen werden. Besonders tritt dies hervor, wenn ein Auto abbiegt, der Fahrradfahrer auf dem Radweg rechts davon gerade aus fährt. Radfahrer können meist schneller beschleunigen und ziehen so an den noch anfahrenden Autos vorbei. Um das Risiko zu senken, dass ein Radfahrer beim Abbiegen übersehen wird eignet sich hier eine Zone, in der sich Fahrradfahrer sammeln und damit bereits abgebogen sind, wenn die Autos heran rollen. Auch wenn dies keinen vollständigen Schutz bietet, reduziert es doch den häufigsten Unfalltype zwischen Auto- und Radfahrern, die oft zu schweren Verletzungen führt (Quelle: https://adfc-berlin.de/radverkehr/sicherheit/information-und-analyse/121-fahrradunfaelle-in-berlin-unfallstatistik/154-die-wichtigsten-fakten-aus-der-polizeilichen-unfallstatistik.html).
Quelle: Daniel Doerk, http://itstartedwithafight.de/2013/11/14/die-neue-dielingerstrase-in-osnabruck/
Quelle: Ulf Dietze, https://hamburg.adfc.de/verkehr/themen-a-z/gute-beispiele/aras-aufstellbereiche/
Einbahnstraßen für Fahrradfahrer öffnen
MIV fährt in einer Richtung, Fahrräder passen in beiden Richtungen durch.
Quelle: Immanuel Giel 07:35, 20 October 2005 (UTC) [GFDL http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], from Wikimedia Commons
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Einbahnstrasse_Eisenbahnstrasse.jpg
Fahrradstraßen machen
Fahrradfahrer dürfen nebeneinander fahren (s. auch Conversational Cycling, wobei sich Fahrräder und Kraftfahrzeuge die selbe Fahrbahn teilen). Auf der Fahrradstraße dürfen alle Verkehrsteilnehmer (Kfz wenn die freigegeben sind) automatisch nur 30 km/h fahren. Wenn ein Fahrradfahrer gefährdet wird, müssen Kraftfahrer die Geschwindigkeit weiter verringern. (Quelle: Straßenverkehrsordnung, Nummer 23 zu Zeichen 244.1)
Quelle: Martin Hutz, https://qimby.net/image/591/fahrradstrasse-in-munchen
Idee: Begegungszone nach Vorbild der Schweiz
“In alten eng, bebauten Ortskernen fehlt oft ausreichend Raum für die Separierung von Radverkehr, Fußverkehr und dem KFZ. Oft ist noch nicht einmal genügend Raum für ausreichend breite Gehwege vorhanden. Eine Alternative ist das Geschwindigkeitsniveau des Fahrverkehrs soweit abzusenken, dass die Unfallgefahr stark vermindert ist und der Raum weitgehend gemeinsam genutzt werden kann.
Die Begegnungszone Tempo 20 nach Schweizer Vorbild schafft hier einen guten Ausgleich zwischen der Verbindungsfunktion und der Aufenthaltsfunktion eines Verkehrsraums.” (Quelle: Dirk Schmidt, https://qimby.net/image/412/beginn-einer-schweizer-begegnungszone-tempo-20)
Quelle: https://qimby.net/image/412/beginn-einer-schweizer-begegnungszone-tempo-20
Benutzungspflicht für Fahrradwege aufheben und Straße markieren
Man kann als Radfahrer entscheiden ob man den Fahrradweg oder die Straße nutzt, sofern der Fahrradweg nicht durch eines der drei folgenden Schilder gekennzeichnet ist. Dies führ leider immer wieder zu Verwirrung, da viele Verkehrsteilnehmer meinen, dass ein Fahrradweg zur Benutzung verpflichtet. Hintergrund ist, dass mache Fahrradwege z.B. für die Benutzung mit Kinderanhänger und von Erwachsenen-Dreirädern nicht geeignet sind, oder die Straße genügend Kapazität bietet, dass die von Auto- und Radfahrern gemeinsam genutzt werden kann. Die Argumentation, dass Fahrradfahren auf der Straße sicherer sei, da man besser im Blick der Autofahrer sei als auf einem baulich getrennten Radweg, konnte nicht nachgewiesen werden. Hierfür benötigt es noch eine Markierung der Straße (Quelle: https://udv.de/de/medien/mitteilungen/benutzungspflicht-radwegen).
StVO Zeichen 237, 240, 241
Quelle: wikimedia.org: Zeichen_237, wikimedia.org: Zeichen_240, wikimedia.org: Zeichen_241
Fahrradweg farblich markieren
In den Niederlanden wird eine einheitliche Markierung von Anfang bis Ende durchgezogen. Es kostet nicht viel und jede Streiterei wer sich wo aufhalten soll, ohne dem anderen im Weg zu sein, ist im Keim erstickt.
Quelle: Jonas Harz, https://qimby.net/image/259/goetheplatz-in-hannover
Geschützte Fahrradwege
Fahrradstreifen werden durch eine bauliche Maßnahme vom motorisierten Individualverkehr (MIV) getrennt. Hierbei ist unerheblich, ob die bauliche Trennung einen mechanischen Schutz bietet. Die meisten baulichen Trennungen schützen den Fahrradfahrer nicht gegen einen PKW; bei der Fahrer am Steuer eingenickt ist. Jedoch entfaltet die bauliche Trennung ihre Wirkung im Sicherheitsempfinden der Radfahrer (Quelle: https://www.adfc-nrw.de/fahrradland-nrw/geschuetzte-radstreifen.html), da oft das Sicherheitsempfinden eine deutlich größere Auswirkung auf Entscheidung für das Verkehrsmittel hat, als die reale Sicherheit.
Es liegt also voll im Trend, wenn Du den ein oder anderen Poller beantragst, um unsere Radwege besser vor Falschparkern zu schützen.
Quelle: ADFC – Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club (Bundesverband) e. V.
Auch wenn der mechanische Schutz deutlich geringer ist als eine komplette bauliche Trennung, so ist die gefühlte Sicherheit deutlich größer, die bei der Wahl des Verkehrsmittels eine deutlich größere Rolle spielt als die reale (Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=0lvNTT6e-_k).
Quelle: Dirk Schmidt, https://qimby.net/image/678/flosserbrucke-in-frankfurt-am-main-geschutzte-radspur-in-09-2016-33
Arm- und Fußstützen an Ampeln
Insbesondere für ältere Personen oder Personen mit Kindern in Kindersitzen vorne oder hinten auf dem Rad, ist das Anfahren mit dem Fahrrad mit einem Moment der Unsicherheit verbunden. Hand- und Fußläufe, die hier Abhilfe schaffen, sind inzwischen keine Einzelanfertigungen mehr (s. Link). Beim warten an der Ampel kann man bequem den Fuß auf das Trittbrett stellen, die Hand auf das Rohl legen, sodass zügig uns sicher angefahren werden kann.
Quelle: https://qimby.net/image/891/c93-allerodruten-radschnellweg-kopenhagen
Fahrradständer (ggf. Parkplatz hierfür umfunktionieren)
An Stellen, an denen regelmäßig viele Fahrräder abgestellt werden, macht es manchmal Sinn, dass einzelnen PKW-Stellplätze gegen Fahrradständer ersetzt werden. Aus zwei PKW-Stellplätzen kann man ca. 15 Fahrradstellplätze machen. In unseren Beispielen zur Seite BA-Anträge selbstmachen berichtet bereits Cornelia Feyer von ihrem Antrag, an U-Bahnhöfen PKW- in Fahrradstellplätze umzuwandeln.
Vorher:
Nachher:
Quelle: Martin Randelhoff, https://qimby.net/image/436/ein-zur-radabstellanlage-umgewandelter-parkstand-in-koln
Fahrbahnmarkierungen pflegen und sichtbar halten
Auch wenn Fahrbahnmarkierungen immer soweit erkennbar sein müssen, sodass sie eindeutig identifiziert werden können und in der Verkehrssituation ihre Aussagekraft behalten, tragen gepflegte Fahrbahnmarkierungen zum Wohlbefinden der Fahrradfahrer bei. Kräftige Markierungen, insbesondere von Fahrradwegen, symbolisieren, dass sie regelmäßig gereinigt und erneuert werden. Die geringen Kosten für die Instandhaltung und Erneuerung haben trotzdem eine starke Symbolwirkung, dass Fahrradverkehr im Straßenverkehr ebenso seine Berechtigung wie der MIV besitzt und dies von Politik und Verwaltung bestätigt wird.
Wenn Ihr eine Idee habt, beschreiben wir auf unserer Seite BA-Anträge selbstmachen wie Ihr einen Antrag bei Eurem Bezirksausschuss oder in der jährlichen Bezirksversammlung einreichen könnt.
Johannes Schürmann (johannes.schuermann [at] munichways [dot] com)